Wer soll das bezahlen?

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mautschildGedanken zur PKW-Maut auf deutschen Straßen Sommer- oder Finanzloch?

Die Bundesregierung denkt mal wieder laut über die Einführung der PKW-Maut nach. Schon 20 Länder Europas erheben Gebühren für die Benutzung von Autobahnen und Schnellstraßen ab. Auch Belgien, Dänemark und die Niederlande diskutieren über die Einführung einer Maut. Da erscheint es beinahe nur folgerichtig, wenn im Transitland Deutschland auch eine entsprechende Maut erhoben würde. Immerhin müssen 12.800 Kilometer Autobahnen in Schuss gehalten werden.

Neben finanziellen Erwägungen wird die Diskussion unter anderem auch mit dem Argument der ausgleichenden Gebühren-Gerechtigkeit unter den europäischen Autofahrern geführt. Aber kann diese wirklich über eine Maut erreicht werden? Und welche Art der Erhebung wäre nach Umweltgesichtspunkten überhaupt sinnvoll?

Pünktlich vor Beginn des Sommers, der Fussball-Europameisterschaft und den olympischen Spielen in London, kramte Bundesverkehrsminister Ramsauer (mal wieder) die PKW-Maut aus der politischen Mottenkiste. Natürlich, so Ramsauer, gehe es nicht um eine weitere Form des Abkassierens des bereits vielfach geschröpften Steuerbürgers, sondern vielmehr um eine faire Finanzierung des deutschen Straßennetzes. "Mein Konzept zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur liegt fertig in der Schublade", sagte Ramsauer. Tja, und ein wesentlicher Bestandteil dieses Konzepts stellt die Straßenbenutzungsgebühr auf Autobahnen und etlichen vierspurigen Bundesstraßen dar. Dabei stömen durch den verkehrsbezogenen Steuermix und die LKW-Maut schon jetzt satte 53 Milliarden Euro ins Steuersäckel. Eine Untersuchung des ADAC ergab allerdings, dass in Deutschland lediglich 17 Milliarden in den Bau und den Unterhalt des Straßennetzes fließen. Zur Finanzierung der verkehrspolitischen Aufgaben würde die Vignette also sicher nicht benötigt. Vielmehr scheint dem Staat daran gelegen zu sein, neue Einnahmequellen zu erschließen.


Pkw-Maut ja oder nein?

Während in Deutschland noch mit allerlei Für und Wider munter diskutiert wird, hat die EU-Kommission längst entsprechende Leitlinien bezüglich einer Vereinheitlichung der europäischen Straßengebühren ausgearbeitet. Demnach sollen alle Staaten, die eine Pkw-Maut erheben, Systeme für eine jährliche, monatliche und wöchentliche Abgabe anbieten. Die Wochen-Variante könnte auch durch einen kürzeren Zeitraum ersetzt werden. Die Leitlinien sind zwar rechtlich nicht bindend, stützen sich aber auf das "gesetzliche Grundrecht der Nichtdiskriminierung in der EU".
Zurück nach Deutschland. Hier ist die Politik bemüht, die angedrohte Einführung der Pkw-Maut mit der vagen Hoffnung auf eine etwaige Entlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer zu entschärfen. Doch droht eben jenes vorgenannte „EU-Grundrecht der Nichtdiskriminierung“ genau diese Kompensationslösung zunichte zu machen. In diesem Zusammenhang teilte das Bundesverkehrsministerium nämlich bereits mit, dass ein steuerliches Ausgleichsverfahren zwar geprüft werde, doch werde es schlussendlich darum gehen, in welchem Umfang das EU-Recht die Möglichkeit zur Kompensation der Mautgebühren überhaupt erlaube. Nun ja, wenn auch gar nicht klar ist, wie diese rechtliche Prüfung ausgehen mag, so steht doch schon jetzt fest, dass eine vollständige Kompensation der Mautgebühren über die Steuernachlässe wohl nicht zu erwarten ist. Im Klartext: Auch wenn die Kfz-Steuer gesenkt oder ganz wegfallen würde, kämen auf den deutschen Autofahrer durch eine PKW-Maut unterm Strich zusätzliche finanzielle Belastungen zu.

Vignette für 50 Millionen PKW?

Rund 50 Millionen Pkw nutzen das Straßennetz in Deutschland. Sollte eine Vignette den Anteil der Pkw an den Kosten des gesamten Straßennetzes komplett finanzieren, so müssten laut einer Studie des Bundesumweltamtes die Einnahmen aus der Vignette rund 20 Milliarden Euro pro Jahr betragen. Nach Adam Riese käme man so auf einen Vignettenpreis von ca. 400 Euro pro Jahr. Bezöge sich die Vignette ausschließlich auf das Autobahnnetz, dann läge der Preis bei etwa 100 Euro. Durchaus vorstellbar wäre also, dass sich Bürger und öffentliche Hand die Kosten des Straßennetzes teilten und so der Preis für eine Vignette niedriger ausfiele.


Fest steht: Eine Vignette spült reichlich Geld in die Staatskasse. Aber ist sie auch in ökologischer Hinsicht ein wirkungsvolles Lenkungsmittel? Die Antwort lautet ganz klar: „Nein“. Denn die Vignette im Sinne einer undifferenzierten Straßennutzungsgebühr hilft keinen Deut, den Verkehr zeitlich und räumlich zu steuern und das Verkehrsaufkommen zu verringern. Schließlich beeinflusst sie ja einzig und allein die Entscheidung, überhaupt ein bestimmtes Verkehrsmittel beziehungsweise Straßennetz zu nutzen oder eben nicht. Eine zeitlich begrenzt gültige Lizenz zur Straßennutzung führt also nicht dazu, dass sich der Verkehr entzerrt und sich somit Staus oder Unfallrisiken verringern. Vielmehr würden durch sie sogar negative Ausweichreaktionen hervorgerufen: Eine auf Autobahnen beschränkte kostenpflichtige Vignette schafft nämlich Anreize für Gelegenheits-Autofahrer, die kostenpflichtigen Autobahnen zu meiden, um stattdessen die Bundes- und Landstraßen als Ausweichrouten zu befahren. Zu erwarten bzw. zu befürchten wären durch dieses Verhalten deutlich höhere Umweltbelastungen für die betroffenen Ortschaften und deren Bewohner sowie ein Anstieg der Unfallzahlen. Es sind sogar noch weitaus höhere Umweltbelastungen zu befürchten. Denn so mancher Autofahrer könnte nunmehr versucht sein, das Auto öfter zu nutzen, da er den Anschaffungspreis der Vignette wieder „reinholen“ möchte.


Unser Nachbarland Österreich hat bereits entsprechende Erfahrungen mit der Vignette gesammelt: Sie leistet keinen bedeutenden Beitrag zur Entlastung der Umwelt. Auch werden die Autofahrer nicht im Mindesten dazu bewegt, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen. Wenn eine umweltförderliche Lenkungswirkung erzielt werden soll, müsste eine Vignette nach den jeweiligen Emissionswerten eines Fahrzeugs klassifiziert werden. Auf diese Weise könnten umweltfreundliche Fahrzeuge in der Gunst der Käufer steigen. Doch wäre diese Form der Vignette notwendigerweise mit einem höheren Kostenanteil für Verwaltung und Kontrollen verbunden. Noch ein Argument gegen die Vignette? Bitteschön: Sie belastet Viel- und Wenigfahrer gleichermaßen. So viel zum Thema „Gerechtigkeit“.

Beschränkt sich die Vignette auf das bloße temporäre Nutzungsrechts eines Streckennetzes, dann hält sich der Aufwand bezüglich zur Einführung, Ausgabe und Überwachung der Vignette in einem durchaus überschaubaren Rahmen halten, wie das Beispiel Österreich verdeutlicht. So belaufen sich die Kosten für die Erhebung und die Überwachung des sogenannten „Pickerls“ auf etwa acht Prozent der Einnahmen.


Gegenmodell: Erhöhung der KfZ-Steuer


Die zusätzlichen Verwaltungskosten tendierten sogar gegen Null, wenn der Staat statt der Vignetten-Maut die Straßennutzung über die pauschale Erhöhung der Kfz-Steuer finanzierte. Aber dann wäre es wiederum nicht möglich, die Kosten entsprechend der individuellen Fahrleistung zu differenzieren. Allerdings würden unerwünschte Erscheinungen wie das Ausweichen auf kostenfreie Alternativrouten vermieden. Die in der Kfz-Steuer bereits enthaltenen Anreize zum Kauf schadstoffärmerer Fahrzeuge würden durch einen saftigen Steuerzuschlag sicherlich verstärkt. Ein erheblicher Nachteil der Steuererhöhung liegt jedoch in der Tatsache begründet, dass sie nur die in Deutschland zugelassenen Fahrzeuge erfassen würde. Somit würden die ausländischen PKW keinen Beitrag zur Straßenfinanzierung in Deutschland leisten.


Drei Cent pro Kilometer?


Eine distanzbezogene Maut bezöge sich auf die Summe der gefahrenen Kilometer in einem bestimmten Straßennetz. Diese Form der Mauterhebung wäre tatsächlich geeignet, die Kosten des Straßennetzes (Wegekosten) sowie die Unfall-, Umwelt- und Gesundheitskosten verursachergerecht anzulasten. Im Gegenzug könnte dann die Besteuerung der Personenkraftwagen entfallen. Würde die Pkw-Maut je nach Verkehrsaufkommen zeitlich und regional differenziert, könnte sie darüber hinaus das Verkehrsaufkommen effektiv und effizient beeinflussen. Für die Nutzung von Autobahnen und anderen Fernstraßen würden – aller Voraussicht - durchschnittlich drei Cent pro Kilometer anfallen. Das bedeutete bei einer durchschnittlichen Jahrfahrtleistung von 21.000 Kilometern eine zu zahlende Straßennutzungsgebühr von 700 Euro. Ausländische Fahrzeuge würden gleichermaßen an den Wegekosten beteiligt. Dies gilt allerdings nicht für diejenigen, die ausschließlich oder überwiegend auf mautfreien Straßen fahren, solange nicht das gesamte Straßennetz in die Mautpflicht einbezogen würde.

Nur differenzierte Vignetten helfen der Umwelt


Grundsätzlich ließe sich eine Maut nach zeitlichen, räumlichen und umweltbezogenen Kriterien differenzieren. Höhere Mautsätze für unfallträchtige oder häufig überlastete Straßen oder während besonders verkehrsreicher Zeiten könnten dazu beitragen, den Verkehrsfluss gleichmäßiger zu gestalten, Staus und Überlastungen der Straßen zu vermeiden, Unfallrisiken zu mindern und die vorhandenen Kapazitäten der Straßeninfrastruktur effizienter zu nutzen. Erfahrungen aus dem Ausland belegen die Wirksamkeit: So differenzieren die Betreiber in Frankreich auf einigen Autobahnen die Höhe der Straßennutzungsgebühren nach Verkehrszeiten und Emissionsbelastung, um eine bessere Verteilung der Fahrzeuge auf Haupt- und Nebenzeiten sowie eine Verlagerung auf weniger belastete Nebenstrecken zu erreichen. Um Ausweichstrecken weniger attraktiv zu machen, müssten diese entweder ebenfalls mit einer Maut belegt und/oder durch straßenbauliche Maßnahmen unattraktiv gemacht werden. Das wäre natürlich wieder mit erheblichen Kosten verbunden. Am einfachsten wäre es daher, wenn eine Pkw-Maut für das gesamte deutsche Straßennetz erhoben würde. Dann aber wäre wir wieder bei 400 Euro pro Jahr und PKW – oder noch mehr!


Eine fahrleistungsbezogene Maut schafft Anreize, die Auslastung der Fahrzeuge (Zahl der Mitfahrer) zu erhöhen. Etliche würden wahrscheinlich auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. Wir würden sehr viel bewusster in der Auswahl unserer Fahrtziele sein und das Auto vermutlich öfter mal stehen lassen. Würde die Maut nach der Höhe der Umweltbelastung einzelner Strecken und Zeiten differenziert, so könnte sie tatsächlich einen zusätzlichen Beitrag dazu leisten, das Verkehrsaufkommen umweltverträglicher zu steuern. Hm, das alles klingt aus umwelt- und verkehrspolitischer Sicht eigentlich total vernünftig. Doch würde diese Form der Maut zu einer gewaltigen Kostenexplosion bei Berufspendlern und anderen beruflichen Vielfahrern führen. Und auf welche Weise könnte eine kilometerabhängige Maut eingetrieben werden, ohne dass dadurch ein neuer kostenintensiver Verwaltungsapparat erforderlich wäre?


Pkw-Maut auf Basis des bestehenden Lkw-Maut-Systems


Vorbild könnte die deutsche Lkw-Maut sein. Die technischen Herausforderungen einer Ausweitung des Lkw-Mautsystems auf Personenkraftwagen sind allerdings sehr hoch, da nun nicht „nur“ eine Million LKW, sondern dann auch 45 Millionen PKW zu erfassen wären. Experten schätzen die Verwaltungs- und Betriebskosten auf 850 Millionen Euro pro Jahr. Eine Pkw-Maut auf allen Straßen in Deutschland würde hingegen nicht nur Ausweichverkehre vermeiden, sondern könnte auch die Erhebung vereinfachen und wäre damit auch kostengünstiger zu gestalten, da nicht zwischen verschiedenen Straßentypen unterscheiden müsste. Bemessungsgrundlage wäre dann die Gesamtfahrleistung eines Fahrzeuges in Deutschland. Die Erfassung der gefahrenen Kilometer könnte über GPS und Satellit erfolgen.


Die Niederlande tüfteln an einem sattelitengestützten Mautsystem, das sämtliche gefahrenen Straßenkilometer pro PKW erfasst. Ziel ist es, die Maut nach räumlichen, zeitlichen und vor allem umweltbezogenen Aspekten zu differenzieren. Damit sollen Anreize gegeben werden, Staus zu vermeiden und so den Verkehr umweltverträglicher zu gestalten. Im Gegenzug soll die komplette bisherige Kfz-Besteuerung entfallen. Der sogenannte „Kilometerpreis“ könnte bei Einführung der 3,0 Cent betragen, wobei aber in den Folgejahren eine schrittweise Anhebung des Kilometerpreises auf knapp 7 Cent angestrebt wird. Zur Kostenerhebung würde jeder PKW ein GPS-Gerät mit sich führen. Es registriert, wann, wo und wie lange jemand mit seinem PKW unterwegs war. Dieses Gerät sendet die Informationen an ein Computerzentrum, welches automatisch eine Rechnung erstellt. Genau genommen könnten mit diesem System sogar solche Straßenkilometer mit Gebühren belegt werden, die ein Staatsbürger außerhalb seines Heimatlandes im PKW zurücklegt. Schließlich geht es ja um den Schutz des erdumspannenden Ökosystems, und da muss die Politik natürlich global denken... Ironie beiseite: An einem solchen lückenlosen Erfassungs- und Überwachungssystem hätte gewiss nicht nur der Finanzminister, sondern auch der „große Bruder“ – wie ihn sich George Orwell nicht besser hätte ausdenken können - seine wahre Freude. So brausen wir denn im Namen der ökologischen Vernunft und der vermeintlichen Steuergerechtigkeit geradewegs in den Überwachungsstaat. Und wenn wir dann dereinst alle komplett klimafreundlich und umweltverträglich unterwegs sind, wird garantiert trotzdem eine neue Kfz-Abgabe fällig. Denn das Geld muss ja irgendwo herkommen…

 

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